Mitteilungsrechte der Finanzverwaltung an Gewerbebehörden trotz Steuergeheimnis
Das Bundesfinanzministerium hat zusammengefasst, unter welchen Voraussetzungen die Finanzverwaltung steuerliche Sachverhalte an Gewerbebehörden weitergeben dürfen.
Grundsätzlich gilt:
Die Finanzverwaltung ist nach dem in § 30 AO festgeschriebenen Steuergeheimnis nicht befugt, Informationen über Steuerpflichtige ohne dessen Zustimmung weiterzuleiten.
Keine Regel ohne Ausnahmen:
Eine gesetzliche Vorschrift i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, nach der das Finanzamt Gewerbebehörden gegenüber zur Auskunft berechtigt ist, gibt es nicht. Aber die Finanzverwaltung darf, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse dazu besteht, das Steuergeheimnis durchbrechen (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO).
In dem Erlass geht es darum, welches steuerliche Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass ein zwingendes öffentliches Interesse an der Weiterleitung steuerlicher Informationen durch das Finanzamt zu bejahen ist.
Unzuverlässigkeit als Grund für Versagung, Rücknahme und Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis/Gewerbeuntersagung
Nach §§ 33c, 34 a, 34 c, 35, 38 GewO, § 15 GastG darf die Gewerbebehörde
- eine gewerberechtliche Erlaubnis versagen, zurücknehmen oder widerrufen bzw.
- eine Gewerbeuntersagung aussprechen,
wenn der Gewerbetreibende unzuverlässig i. S. d. Gewerberechts ist. Diese Unzuverlässigkeit kann auch aus steuerrechtlichen Sachverhalten hergeleitet werden.
Erfüllt ein Gewerbetreibender seine steuerlichen Pflichten nicht, so die Argumentation, würde dadurch das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs erschüttert werden. Lässt die Gewerbebehörde einen solchen Gewerbetreibenden gewähren, würde auch das Vertrauen darin, dass Gewerbebehörde ordnungsgemäß ihre Aufgaben erfüllt, in der Allgemeinheit verloren gehen.
Zusammenwirken Finanzverwaltung – Gewerbebehörden
Die Finanzverwaltung ist verpflichtet, die Gewerbebehörden über das steuerliche Verhalten eines Gewerbetreibenden zu informieren, wenn dieses Verhalten geeignet ist, ihm die Ausübung des Gewerbes durch die Gewerbebehörde zu verbieten. In einem solchen Fall besteht ein zwingendes öffentliches Interesse an der Weitergabe der Informationen. Die Finanzverwaltung muss somit, bevor sie Informationen weiterreicht, in eigener Zuständigkeit prüfen, ob das Verhalten geeignet ist, ein Verbot des Gewerbebetriebs zu rechtfertigen.
Hinweis: Auch wenn das Finanzamt prüfen muss, ob das steuerliche Fehlverhalten ein Gewerbeverbot rechtfertigt, bleibt die Gewerbebehörde allein zuständig für die Frage, ob ein Gewerbeverbot auszusprechen ist. Die Finanzverwaltung muss diese Prüfung „nur“ vornehmen, um zu klären, ob sie die Informationen weiterleiten darf.
Steuerliche Unzuverlässigkeit
Selbstverständlich rechtfertigt nicht jede Nachlässigkeit bei der Erfüllung steuerlicher Pflichten die Versagung des Gewerbebetriebs. Lässt aber das Verhalten des Gewerbetreibenden darauf schließen, dass er nicht willens oder in der Lage ist, seine öffentlichen Berufspflichten zu erfüllen, begründet dies eine Unzuverlässigkeit i. S. d. Gewerberechts. Dazu sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Das BMF-Schreiben stellt einige Kriterien zusammen, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen sind:
1. Nichtabgabe von Steuererklärungen
Grundsätzlich rechtfertigt die Nichtabgabe oder verspätete Abgabe von Steuererklärung keine Versagung des Gewerbebetriebs. Somit darf das Finanzamt Informationen allein darüber grundsätzlich nicht an das Gewerbeamt weiterleiten. Ausnahmen können gelten, wenn sich der Gewerbetreibende hartnäckig über einen längeren Zeitraum weigert, Steuererklärungen einzureichen. Die Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen haben besonders Gewicht, die im Einzelfall auch eine Unzuverlässigkeit i. S. d. Gewerberechts begründen. Die Nichtabgabe anderer Steuererklärungen rechtfertigt eine Gewerbeversagung i. d. R. nur, wenn auch die entsprechende Steuer nicht bezahlt wird.
2. Nichtentrichtung von Steuern
Die Nichtzahlung von Steuern kann eine Unzuverlässigkeit i. S. d. Gewerberechts begründen. Das BMF betont, dass Steuerschulden unter 5.000 EUR grundsätzlich dazu nicht ausreichen. Bei der Berechnung des Steuerrückstands sind alle fälligen Steuern – auch solche die noch nicht bestandskräftig festgesetzt wurden – heranzuziehen, die durch den Gewerbebetrieb veranlasst werden. Steuern, deren Vollziehung ausgesetzt wurden, werden nicht herangezogen.
Berechnung Steuerrückstand
Rückständige Steuer aufgrund bestandskräftig festgestelltem Steuerbescheid + Rückständige Steuer aufgrund nicht bestandskräftig festgestelltem Steuerbescheid ./. Steuer, deren Vollziehung nach § 391 AO oder 69 FGO ausgesetzt istNeben der Höhe des Steuerrückstands ist die Entwicklung der Steuerrückstände zu beachten. Ständig schleppender Zahlungseingang kann auch bei niedrigeren Summen eine Unzuverlässigkeit begründen; ein sehr hoher Steuerrückstand aufgrund einer Betriebsprüfung hingegen kann gegen eine Unzuverlässigkeit sprechen.
Achtung! Bei Steuerrückständen auf einbehaltene Steuerabzugsbeträge, insbesondere Lohnsteuerbeträgen, wird sehr schnell eine Unzuverlässigkeit bejaht. Da es sich z.B. bei der Lohnsteuer um Gehalt des Mitarbeiters handelt, das nur der Gewerbetreibende an das Finanzamt weiterzuleiten hat, wird auf Nachlässigkeiten in diesem Bereich sehr empfindlich reagiert.
Das BMF betont, dass erst dann wegen Steuerrückständen eine Informationspflicht gegenüber den Gewerbebehörden besteht, wenn eine Vollstreckung in die Rückstände versucht wurde.
3. Verschulden des Gewerbetreibenden nicht erforderlich
Eine Gewerbeuntersagung ist auch möglich, wenn dem Gewerbetreibenden kein moralischer Vorwurf wegen der Steuerrückstände gemacht werden kann oder wenn seine finanziellen Schwierigkeiten durch die allgemeine wirtschaftliche Lage entstanden sind. Entscheidend ist, dass der Gewerbetreibenden objektiv nicht in der Lage ist, seine steuerliche Zahlungspflichten zumindest im Rahmen eines realistischen Plans zur finanziellen Sanierung seines Gewerbebetriebs nachzukommen.
4. Steuerliche Straf- und Bußgeldverfahren
Die Einleitung steuerliche Straf- und Bußgeldverfahren kann ein Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit geben; hierbei sind alle Umstände zu berücksichtigen, so auch das Verhalten des Gewerbetreibenden nach Abschluss des Verfahrens.
Verfahrensrechtliche Fragen
Die Finanzbehörden können einerseits von den Gewerbebehörden um Auskunft ersucht werden, oder aber sie ergreifen die Initiative zur Weitergabe der Informationen selbst.
1. Auskunftsersuchen durch Gewerbebehörde
Besteht für die Gewerbebehörden Anlass, die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden anzuzweifeln, können sie sich mit einem Auskunftsersuchen an die Finanzbehörden wenden. In der Praxis kommt dies oftmals vor, wenn den Gewerbebehörden bekannt wird, dass Sozialversicherungsbeiträge für Mitarbeiter nicht abgeführt wurden. Die Finanzverwaltung darf die Auskunft nur in folgenden beiden Fällen erteilen:
- Der Gewerbetreibende stimmt einer Auskunft durch das Finanzamt zu (vgl. § 30 Abs.4 Nr. 3 AO) oder
- Die Auskunftserteilung liegt im zwingenden öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO).
Liegen die Voraussetzungen für eine Offenbarung durch die Finanzverwaltung vor, darf sie nur die Informationen weitergeben, die für das gewerberechtliche Verfahren von Bedeutung sein können. Tatsachen, die dazu eindeutig nicht geeignet sind, dürfen nicht mitgeteilt werden. Kommt die Finanzverwaltung zu dem Ergebnis, dass sie nicht berechtigt ist, Informationen weiterzuleiten, dürfen die Gründe dafür nicht offenbart werden. Es ist lediglich mitzuteilen, dass kein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung der steuerlichen Informationen besteht.
2. Auskunft aufgrund eigener Initiative des Finanzamts
Das BMF betont, dass die Finanzverwaltung nur dann die Gewerbebehörden zur Prüfung der Gewerbeuntersagung anregen soll, wenn alle anderen Mittel zur Durchsetzung des Steueranspruchs, die dem Finanzamt zur Verfügung stehen, sich als wirkungslos herausstellen. Abzuwägen ist insbesondere, ob die Pflichtverstöße des Gewerbetreibenden so schwer wiegen, dass es gerechtfertigt ist, ihm die wirtschaftliche Betätigung ganz oder teilweise zu entziehen.
Hinweis: Eine Gewerbeuntersagung ist während der Dauer eines Insolvenzverfahrens nicht vorgesehen (vgl. §§ 12 GewO). Deshalb liegt während dieses Zeitraums ein zwingendes öffentliches Interesse an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO nicht vor; hatte die Finanzverwaltung bereits ein Gewerbeuntersagungsverfahren angeregt und tritt dann eine Insolvenz ein, soll dies der Gewerbebehörde mitgeteilt werden.
Quelle
BMF, Schreiben v. 14.12.2010, IV A 3 – S 0130/10/10019
Susanne Christ, RA/FAfStR; Haufe Online-Redaktion