Geplante Änderungen im Insolvenzrecht

Das Eröffnen eines Insolvenzverfahrens muss noch kein Aus bedeuten, es kann sogar ein Rettungsmanöver sein. Schwer vorstellbar, doch nicht selten wird eine geordnete Insolvenz eingeleitet, um ein notleidendes Unternehmen zu sanieren. Das geplante ESUG soll Sanierungen weiter erleichtern.

Im Fokus des geplanten ESUG steht die umfassende Reform des deutschen Insolvenzrechts: Das Insolvenzverfahren soll noch effektiver und planbarer ausgestaltet sowie von nur noch einem Gericht zügiger und sachkundiger begleitet werden. Durch zahlreiche Erleichterungen bei der Sanierung überlebensfähiger Unternehmen soll es künftig von den Unternehmen als echte Chance zur Sanierung verstanden werden. Die bisherige strikte Trennung zwischen Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht wird damit der Vergangenheit angehören. Ebenso, so hofft die Regierung, die Sitzverlegungen nach England aufgrund seiner sanierungsfreundlicheren Insolvenzregelungen. Die wichtigsten Neuerungen sind:

Neuerung 1: Stärkung der Gläubigerautonomie

Die Gläubiger sollen künftig einen stärkeren Einfluss bei der Auswahl des Insolvenzverwalters haben. So sollen die Gerichte schon nach Eingang eines Eröffnungsantrags einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen dürfen, sofern der Schuldner bestimmte Mindestgrößen (Bilanzsumme, Umsatzerlöse, Anzahl der Beschäftigten) erfüllt. Auf diese Weise sollen Unternehmen ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der sog. Eigenverwaltung erhalten. Spricht sich der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig für eine bestimmte Person als Verwalter aus, muss das Gericht diesen ernennen.

Neuerung 2: Ausbau des Planverfahren

Künftig soll es im Rahmen eines Planverfahrens möglich sein, in einem Insolvenzplan Kapitalmaßnahmen vorzusehen und auch Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umzuwandeln. Auf diese Weise können Widerstände von Altgesellschaftern überwunden und Unternehmen besser saniert werden. Ferner sieht das ESUG eine Verjährungsfristverkürzung sowie einen Vollstreckungsschutz bei verspäteten Forderungen vor, um die Durchführung des Insolvenzplans nicht zu gefährden.

Neuerung 3: Betriebsweiterführung durch den Eigentümer im „Schutzschirmverfahren“

Schuldnern soll es zukünftig erlaubt sein, bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan, der als Insolvenzplan umgesetzt werden kann, auszuarbeiten. Diese Eigenverwaltung im Wege des sog. Schutzschirmverfahrens soll nur innerhalb von drei Monaten, unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen möglich sein. Zudem dürfe das Gericht während des Schutzschirmverfahrens weder einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen noch dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entziehen.

Hinweis: Unternehmen eröffnen aus Furcht vor Verlust der Eigenverwaltung häufig erst dann das Insolvenzverfahren, wenn ihr Vermögen restlos aufgezehrt ist und keine Sanierungschancen mehr bestehen. Durch Einführung des Schutzschirmverfahrens sollen sie nun einen Anreiz erhalten, den besagten Antrag frühzeitiger zu stellen. Unterstützt zudem der Gläubigerausschuss einstimmig die weitere Eigenverwaltung des Schuldners, kann er diese beibehalten.

Stellungnahmen vom IDW und BDIU

Sowohl das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) als auch der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) halten den Regierungsentwurf insgesamt für einen gelungenen Entwurf. Das IDW regt zudem an, den Überschuldungsbegriff neu zu definieren, den Antrag auf Eigenverwaltung zu vereinfachen und Sanierungen steuerlich zu erleichtern. Der BDIU hingegen beäugt die geplante Halbierung der Wohlverhaltensperiode kritisch, da zu befürchten sei, dass die berechtigten Ansprüche der Gläubiger auf der Strecke bleiben könnten.

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Auf mysteriöse Weise wurde im vergangenen Herbst der ESUG-Diskussionsentwurf der Presse zugespielt und damit ins Rollen gebracht. Im Januar wurde schließlich vom Bundesjustizministerium der Referentenentwurf zum ESUG vorgestellt und daraufhin von der Bundesregierung beschlossen (Drucksache 17/5712 vom 4.5.2011). Nach einer ausführlichen Stellungnahme des Bundesrates im April wurde der Entwurf am 17. Mai in den Bundestag eingebracht. Die erste Lesung, die für den 10. Juni angesetzt war, wird voraussichtlich am 30. Juni stattfinden. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz wirklich noch wie geplant vor der Sommerpause in Kraft tritt und inwiefern die Kritikpunkte der Fachwelt darin verankern werden.

 

Quelle

Drucksache 17/5712 vom 4.5.2011
Haufe Online-Redaktion
Cecilia Hardenberg, Diplom-Wirtschaftsjuristin, M.I.Tax und Fachjournalistin

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