Aussetzung der Vollziehung darf nicht erzwungen werden
Eine Aussetzung der Vollziehung gegen den Willen des Steuerpflichtigen ist rechtswidrig. Das FG Köln vermutet in der Vorgehensweise der Finanzverwaltung die Absicht, ein Zinsgefälle zwischen 6%igen Aussetzungszinsen und aktuell niedrigerem Markzinsniveau auszunutzen.
Hintergrund:
Wird während eines Einspruchs- oder Klageverfahrens die Vollziehung ausgesetzt, sind bei erfolglosem Rechtsbehelf später Aussetzungszinsen in Höhe von 6 % jährlich zu zahlen. Ist eine Aussetzung jedoch nicht erfolgt und hat der Steuerpflichtige die streitige Steuerschuld gezahlt, erhält er im Erfolgsfall den Erstattungsbetrag vom Finanzamt mit 6 % verzinst (§ 233a Abs. 1 und 2 AO).
Im Urteilsfall ergab sich nach der steuerlichen Außenprüfung einer GmbH eine Steuernachzahlung von mehreren Millionen Euro. Die betroffene GmbH zahlte die festgesetzten Steuern, legte gegen die geänderten Bescheide jedoch Einspruch ein. Das Finanzamt setzte daraufhin den gesamten Nachforderungsbetrag ab Fälligkeit von der Vollziehung aus, ohne dass die GmbH dies beantragt hatte und erstatte die Steuerzahlung an die GmbH zurück.
Die GmbH wehrte sich gegen diese aufgezwungene Aussetzung und führte an, dass ihr durch diese Vorgehensweise lediglich eine gesetzliche Verzinsungspflicht über Marktzinsniveau aufgebürdet werden soll.
Entscheidung:
Die AdV-Verfügungen sind rechtswidrig. Erfolgt die Aussetzung ohne Antrag des Steuerpflichtigen, liegt eine Ermessensentscheidung des Finanzamtes vor. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach die Finanzbehörde die Vollziehung aussetzen „kann“ und erst bei einem Antrag des Steuerpflichtigen aussetzen „soll“.
Weder Rechtsprechung noch Literatur fordern, dass die Finanzverwaltung die Aussetzung gegen das Interesse des Steuerpflichtigen durchsetzen muss. In der früheren Verwaltungspraxis entsprachen die Aussetzungen zumindest dem mutmaßlichen Willen des Steuerpflichtigen. Der Urteilsfall reiht sich nach der Argumentation der Richter jedoch in die neuere Verwaltungspraxis ein, eine Aussetzung gegen den ausdrücklichen Willen des Steuerpflichtigen durchzusetzen. Durch diese Vorgehensweise will sich die Finanzverwaltung das Zinsgefälle zwischen Aussetzungszinsen und Marktzins zunutze machen, vermutet das FG. Auch im vorliegenden Fall spielte diese Zinsüberlegung eine entscheidende Rolle. Die Einbeziehung der finanziellen Interessen des Staates in die Ermessensentscheidung führt jedoch regelmäßig zu einer fehlerhaften Ermessensausübung, daher war die Aussetzung rechtswidrig.
Quelle
(FG Köln, Urteil v. 8.9.2010, 13 K 960/08)
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Hinweis: Die Revision zum BFH wurde zugelassen.