Betriebsprüfung - Bestimmte Beweise dürfen nur unter strengen Voraussetzungen verwertet werden (FG)
Leitet ein Betriebsprüfer Verhältnisse, die für die Besteuerung anderer Steuerpflichtiger von Bedeutung sind, weiter, obwohl Vorlageverweigerungsrechte nach § 104 AO bestehen, dürfen dem Finanzamt zugegangene Kontrollmitteilungen nicht verwertet werden.
Hintergrund
Die Antragstellerin beauftragte den Rechtsanwalt R mit der Wahrnehmung ihrer Interessen gegenüber der B-GmbH. Aufgrund mehrerer anwaltlicher Schriftsätze gingen Forderungen der Antragstellerin gegenüber der B-GmbH auf dem Fremdgeldkonto des R ein. Nach Verrechnung mit offenen Gebührenforderungen zahlte R die restlichen Gelder an die Antragstellerin aus.
Die Antragstellerin gab weder Umsatzsteuererklärungen noch Jahresabschlüsse beim Finanzamt ab. In der Folge gingen dem Finanzamt 2 Kontrollmitteilungen des Finanzamts E mit der Steuernummer des R zu, denen Unterlagen über den Schriftverkehr mit der B-GmbH beigefügt waren. Die Kontrollmitteilungen enthielten den Vermerk "erhalten von Anwaltsbüro R". Dies nahm der Antragsteller zum Anlass, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen und Umsatzsteuer gegen die Antragstellerin festzusetzen.
Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein und machte insbesondere geltend, dass ein Beweisverwertungsverbot bestand, da die Steuerbehörde in der Kanzlei des R eine Prüfung des Fremdgeldkontos vorgenommen und dieses trotz der Verschwiegenheitspflicht des R zur Grundlage der Umsatzsteuerfestsetzung gemacht habe. Nach der erfolglosen Durchführung des Einspruchsverfahrens erhob die Antragstellerin Klage und beantragte Aussetzung der Vollziehung.
Entscheidung
Nach Ansicht des Finanzgerichts bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das Finanzamt befugt war, aufgrund der Auswertung des ihm vom Betriebsprüfer übersandten Kontrollmaterials die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung zu erlassen. Es erscheint ernstlich zweifelhaft, dass die Übersendung der Kontrollmitteilungen an den Antragsgegner verfahrensrechtlich zulässig war und dass ohne dieses Kontrollmaterial und dessen Fernwirkungen Anlass bestand, die strittige Festsetzung vorzunehmen.
Rechtsfehlerhaft erscheint noch nicht die Tatsache, dass R einer Außenprüfung unterzogen wurde und dabei auch die Belege zu Fremdgeldkonten gesichtet wurden. Vorlageverweigerungsrechte aus § 104 Abs. 1 AO bestehen zwar auch in der beim Berufsgeheimnisträger (Rechtsanwalt, Steuerberater usw.) selbst stattfindenden Außenprüfung, jedoch kann das Finanzamt grundsätzlich die Vorlage der zur Prüfung erforderlich erscheinenden Unterlagen in neutralisierter Form verlangen. Wenn der Berufsträger gleichwohl Unterlagen, in deren Besitz er im Rahmen der Mandatsbearbeitung gelangt ist bzw. die in diesem Rahmen entstanden sind, in nicht neutralisierter Form überlässt und die Betriebsprüfung anschließend ankündigungslos diesbezügliche Kontrollmitteilungen versendet, dürfen diese nicht verwertet werden.
Quelle
FG