Bevollmächtigung ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht: Steuerbescheid trotzdem ordnungsgemäß bekanntgegeben? (BFH)

Tritt ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe für einen Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt auf, wird vermutet, dass eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung gegeben ist. Das gilt auch ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmacht.

Hintergrund

Mit Schreiben vom 20.5.2014 zeigten die Prozessbevollmächtigten der Kläger beim Finanzamt an, dass sie die Kläger hinsichtlich der "Erklärung von Einkünften für die Jahre 2008 - 2011" sowie "Einkommensteuer 2012" vertreten und reichten entsprechende, von den Klägern am 14.5.2014 unterschriebene Vollmachten ein. Dem Schreiben war eine Schätzung ausländischer Kapitalerträge für die Jahre 2008 bis 2011 beigefügt.

Im weiteren Verlauf forderte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R (Steuerfahndung) die Prozessbevollmächtigten auf, die Anlagen KAP für die Jahre 2008 bis 2011 einzureichen und darüber hinaus auch die Kapitaleinkünfte für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2004 bis 2007 zu erklären.

Die Prozessbevollmächtigten reichten sodann im Jahr 2015 "wunschgemäß die ergänzenden Anlagen KAP zur Nacherklärung von Einkünften unserer Mandanten für die Jahre 2004 bis 2011" ein. Das Finanzamt änderte daraufhin die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 mit Bescheid vom 18.12.2015 und stellte den geänderten Einkommensteuerbescheid mit Zustellungsurkunde am 21.12.2015 den Prozessbevollmächtigten zu. Diese leiteten den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr im Januar 2016 an die Kläger weiter.

Die Kläger, nach deren Auffassung die Prozessbevollmächtigten nur für die Jahre 2008 bis 2011 bevollmächtigt gewesen sind und der Einkommensteuerbescheid für 2004 daher nicht wirksam bekannt gegeben worden war, legten hiergegen am 18.1.2016 Einspruch ein.

Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof entschied, dass das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2004 durch Zustellung an die Prozessbevollmächtigten mit Wirkung gegenüber den Klägern und damit rechtzeitig – vor Ablauf der Festsetzungsfrist zum 31.12.2015 um 24:00 Uhr – bekannt gegeben hat.

Die wegen der Steuerhinterziehung auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer des Streitjahres hat mit Ablauf des Kalenderjahres 2005 begonnen, in dem die Kläger ihre Steuererklärung eingereicht hatten. Sie endete somit mit Ablauf des Jahres 2015, mithin jeweils erst nach der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheids am 21.12.2015.

Das Finanzamt hat sein Ermessen, den Steuerbescheid für 2004 nach § 122 Abs. 1 Satz 3 AO auch ohne das Vorliegen einer schriftlichen Empfangsvollmacht dem Prozessbevollmächtigten anstatt den Klägern zuzustellen, fehlerfrei ausgeübt.

 

Quelle

BFH

Möchten Sie regelmäßig über neue Artikel informiert werden? Dann registrieren Sie sich für unseren Newsletter.

Newsletter abonnieren

Diese Internetseite verwendet Cookies, um die Nutzererfahrung zu verbessern und den Benutzern bestimmte Dienste und Funktionen bereitzustellen.
Mehr Informationen finden sie unter Datenschutz. Ich stimme zu