Umsatzsteuer: Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung (EuGH)

Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukommt.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Klägerin gab für die Jahre 2008 bis 2011 an, einen Vorsteuerabzug aus den ihren Handelsvertretern erteilten Provisionsabrechnungen sowie aus den Rechnungen eines Werbegestalters vorgenommen zu haben. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das FA fest, dass ein Vorsteuerabzug aus den Abrechnungen nicht möglich sei, da diese keine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers enthielten. Noch während der Außenprüfung ergänzte die Klägerin die Dokumente um die Angabe der Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Das FA ließ den Vorsteuerabzug in den Streitjahren nicht zu, da die Voraussetzungen erst zum Zeitpunkt der Berichtigung der Rechnungen, d. h. im Jahr 2013, vorlagen. Das FG Niedersachsen beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist die vom EuGH festgestellte Ex-nunc-Wirkung einer erstmaligen Rechnungserstellung für den – hier vorliegenden – Fall der Ergänzung einer unvollständigen Rechnung insoweit relativiert, als der EuGH in einem solchen Fall im Ergebnis eine Rückwirkung zulassen wollte?

2. Muss die ursprüngliche Rechnung bereits eine Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthalten, oder kann diese später ergänzt werden mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug aus der ursprünglichen Rechnung erhalten bleibt?

Hierzu führten die Richter des EuGH weiter aus:

  • Das in den Art. 167 ff. der Richtlinie 2006/112 geregelte Recht auf Vorsteuerabzug kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden.
  • Das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Bedingungen nicht genügt hat.
  • Der Besitz einer Rechnung, die die in Art. 226 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Angaben enthält, stellt eine formelle und keine materielle Bedingung für das Recht auf Vorsteuerabzug dar.

Hinweis

Mit diesem Urteil widerspricht der EuGH deutschem Recht, nachdem bei der Berichtigung einer Rechnung durch Hinzufügung einer in der ursprünglich ausgestellten Rechnung fehlenden Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer das Recht auf Vorsteuerabzug erst zum Berichtigungszeitpunkt ausgeübt werden kann.

Mit dem Urteil entschied der EuGH in einem portugiesisches Recht betreffenden Fall, dass eine Rechnung, die nur die Bezeichnung der erbrachten Dienstleistungen ohne Konkretisierung des Beginns des Abrechnungszeitraums enthält, die Voraussetzungen von Art. 226 der Richtlinie 2006/112 nicht erfüllt. Allerdings ist auch hier der Vorsteuerabzug zu gewähren, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Voraussetzungen nicht genügt hat.

 

Quelle

EuGH, Urteil v. 15.09.2016 - C-518/14 (Sc)
NWB – News zum Steuerrecht vom 22.09.2016

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