Der Bürokratie Zügel anlegen: Zweites Bürokratieentlastungsgesetz
Der Gesetzgeber versucht auf die (Bürokratie-)Bremse zu treten. Doch welche Bürokratie belastet Steuerpflichtige und ihre Berater unnötig? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sieht vor allem Potenzial zum Bürokratieabbau im Steuerrecht. In seinem Referentenentwurf zum Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz sieht es zum Bürokratieabbau eine Reihe von Maßnahmen vor. Die erwartete Entlastung für die Wirtschaft beläuft sich danach auf insgesamt rund 358,2 Mio. Euro pro Jahr. Mehrheitlich sollen davon die 3,6 Mio. kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) profitieren.
Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt in seiner Stellungnahme 06/16 die Gesetzesinitiative außerordentlich. Er zeigt jedoch punktuell Bedenken bei den Maßnahmen auf.
Lieferscheine nur noch bedingt aufbewahrungspflichtig
Es ist vorgesehen, die Aufbewahrungsfristen für Lieferscheine zu lockern. Lieferscheine, die keine Buchungsbelege sind, können vernichtet werden. Besonderen Nutzen haben aus Sicht des DStV davon Einnahmenüberschussrechner, bei denen Lieferscheine als empfangene oder abgesandte Handelsbriefe qualifiziert werden. Solche Lieferscheine brauchen nicht mehr aufbewahrt zu werden. Nur wenig Entlastung dürfte die geplante Neuerung für Bilanzierende bringen. Bei ihnen fungieren Lieferscheine häufig als Buchungsbelege, welche von der Erleichterung nicht umfasst sind. Die Änderung soll rückwirkend für alle Lieferscheine gelten, deren Aufbewahrungsfrist nach § 147 Abs. 3 AO noch nicht abgelaufen ist.
Des Weiteren gibt der DStV zu bedenken, dass die gelockerten Aufbewahrungsfristen für den Lieferschein nicht die schwierige Praxisfrage der Differenzierung lösen, ob aufzeichnungs- und/oder aufbewahrungspflichtige Unterlagen i. S. d. GoBD vorliegen. Auch sind Lieferscheine nicht immer leicht als solche zu identifizieren, beispielsweise wenn sie Teil eines Frachtbriefes sind, der weiterhin aufbewahrt werden muss.
Angehobene Lohngrenze für vierteljährliche Lohnsteueranmeldung
Vorgesehen ist, die Grenzen für die vierteljährliche Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen von 4.000 Euro auf 5.000 Euro anzuheben. Dies entlastet insbesondere Arbeitgeber mit wenigen Arbeitnehmern. In diesen Fällen sind künftig anstelle der 12 monatlichen Lohnsteuer-Anmeldungen nur noch 4 vierteljährliche Lohnsteuer-Anmeldungen an das Finanzamt zu übermitteln. Der DStV begrüßt diese Änderung.
Mehr Umsatz und trotzdem Kleinunternehmer
Bislang können Unternehmer von der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen, wenn sie im vorangegangen Jahr nicht mehr als 17.500 Euro Umsatz erzielt haben. Nun soll im Zuge einer Inflationsanpassung diese Grenze auf 20.000 Euro angehoben werden.
Der DStV begrüßt, dass dadurch mehr Unternehmer die Vorzüge erleichterter umsatzsteuerlicher Pflichten genießen und damit von Bürokratie entlastet werden. Kleinunternehmer müssen beispielsweise keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn der tatsächliche Anstieg des Verbraucherpreisindexes bzw. der avisierten Inflationsrate der Europäischen Zentralbank berücksichtigt werden würde. Der DStV hält demnach eine Anhebung der Kleinunternehmergrenze auf 20.900 Euro bzw. 22.500 Euro für angemessen.
Schätzung der Sozialversicherungsbeiträge auf Basis des Vormonats legalisiert
Statt einer Schätzung der Sozialversicherungsbeiträge im laufenden Monat sollen die tatsächlichen Beitragswerte des Vormonats zugrunde gelegt werden. Bisher war diese Methode nur ausnahmsweise für Unternehmen mit besonders schwankenden Lohnsummen zulässig. Sie wurde aber vielfach auch von anderen Unternehmen praktiziert.
Der DStV begrüßt diese Neuregelung. Sie bringt eine geringfügige Arbeitserleichterung für Arbeitgeber und mit der Lohnbuchhaltung betraute Steuerberater mit sich. Gleichwohl spricht sich der DStV nachdrücklich für eine Wiederherstellung der Rechtslage vor dem 01.01.2006 aus. Die Rückkehr wäre ein noch effizienteres Instrument zum Bürokratieabbau. Seinerzeit konnten die Sozialversicherungsbeiträge auf Basis der gezahlten Entgelte ermittelt werden. Sie waren entsprechend Mitte des Folgemonats fällig. Das sparte aufwändige Korrekturen und somit Zeit.
Unkomplizierter zum Vorsteuerabzug bei Rechnungen bis 200 Euro
Für Empfänger von Kleinbetragsrechnungen soll künftig die zeitaufwendige Prüfung der Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzugs bis zu einem Betrag von 200 Euro entfallen. Die aktuelle Grenze beträgt seit 2007 unverändert 150 Euro. Die Erhöhung erfolgt ausweislich der Gesetzesbegründung, um die kumulierten Inflationsraten auszugleichen.
Der DStV begrüßt diese Neuregelung, wie er sie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vorangetrieben hat, ausdrücklich. Um dem Harmonisierungsgedanken des Umsatzsteuerrechts in der EU Rechnung zu tragen, sollte der Gesetzgeber aber eine Erhöhung der Grenze auf 400 Euro, wie die in Österreich gilt, erwägen.
Weiteres Potenzial zum Bürokratieabbau
Zudem zeigt der DStV in seiner Stellungnahme S 06/16 weiteres Potenzial zum Bürokratieabbau auf. Auf Basis der Berichte der Mitglieder regt er vornehmlich zum einen die Anhebung der Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2a EStG) auf 1.000 Euro an. Diese gilt seit 1964 unverändert - ungeachtet der Geldentwertung. Zum anderen sollte dringend die Istbesteuerungsgrenze (§ 20 UStG) auf 600.000 Euro angehoben werden.
Letzteres beseitigt die Diskrepanz von 100.000 Euro zur verfahrensrechtlichen Buchführungsgrenze (§ 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). Nur so würde die in 2015 im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes (BGBl. I 2015, S. 1400) beschlossene Erleichterung durch die Anhebung der Buchführungsgrenzen in der Praxis ankommen. Dies würde sich für KMU positiv auswirken. Obwohl KMU die Buchführungsbefreiung in Anspruch nehmen können, werden sie durch das Umsatzsteuerrecht daran gehindert. Sie müssen nach wie vor Aufzeichnungen führen, die eine umsatzsteuerliche Sollversteuerung ermöglichen. Ein Gleichlauf der beiden Grenzen entlastet die betroffenen KMU signifikant.
Darüber hinaus regt der DStV in einer tabellarischen Übersicht weitere für die Praxis erleichternde Maßnahmen an.
Der DStV wird im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dieses ungenutzte Potenzial zum Bürokratieabbau weiter forcieren sowie die aufgezeigten Bedenken anbringen. Dazu ist u. a. ein Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Helmut Nowak (Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie) geplant.
Quelle
DStV, Mitteilung vom 20.07.2016, DATEV Nachrichten Steuern