Verfahrensrecht: Gesetzlicher Zinssatz von 6% p. a. bis März 2011 noch nicht verfassungswidrig (BFH)

Der BFH hält den gesetzlichen Zinssatz von 0,5% pro Monat (6% pro Jahr) für Zeiträume bis März 2011 nicht für verfassungswidrig. Er hat deshalb davon abgesehen, dem Bundesverfassungsgericht die Regelung zur konkreten Normenkontrolle vorzulegen.

Hintergrund

Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit u.a. ein Einspruch endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen. Die Zinsen werden erhoben vom Tag des Eingangs bei der Behörde bis zum Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet. Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 AO).

Sachverhalt

Die Kläger hatten im Jahre 2004 erwirkt, dass ihr Einkommensteuerbescheid für 2002 teilweise von der Vollziehung ausgesetzt wurde. Streitig war, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung teilweise steuerfrei war. Nachdem das BVerfG entschieden hatte, die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist von zwei auf zehn Jahre sei teilweise verfassungswidrig und nichtig, behandelte das Finanzamt nur noch einen Teil des Veräußerungsgewinns als steuerpflichtig und setzte die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest. Die Aussetzung der Vollziehung (AdV) wurde aufgehoben. Für den Zeitraum der AdV v. 11.11.2004 bis zum 21.3.2011 (76 Monate) setzte das Finanzamt entsprechend der gesetzlichen Regelung Zinsen in Höhe von 6.023 € fest. Die Kläger hielten dies für verfassungswidrig, hatten mit ihrer Auffassung aber vor dem Finanzgericht keinen Erfolg.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Zwar lag der Effektivzinssatz in % p.a. für Einlagen privater Haushalte (Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist bis drei Monate) im streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum deutlich unter dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO.
  • Da die Verwendung des noch nicht zu Steuerzahlungen benötigten Kapitals jedoch von individuellen Finanzierungsentscheidungen des Steuerpflichtigen abhängig ist, sind bei der Betrachtung sowohl der Anlagezinssatz (Verwendung von Kapital) als auch der Darlehenszinssatz (Finanzierung von Steuernachzahlungen) für einen Vergleich mit dem Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO einzubeziehen.
  • In dem genannten Verzinsungszeitraum lagen die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte mit anfänglicher Zinsbindung zwischen 7,14% p.a. und 5,32% p.a. sowie die banküblichen Sollzinsen für Dispositionskredite über bzw. jedenfalls nicht wesentlich unter dem Zinssatz von 0,5% pro Monat (6% p.a.).
  • Dies gilt ebenso für die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 8,32% und 5,12%) und § 288 Abs. 2 BGB (acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz; mithin im Zeitraum von 2004 bis 2011 zwischen 11,32% und 8,12%).
  • Da sich der Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO somit bei diesem Vergleich noch in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen hält, ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungswidrig ist.

Anmerkung

Der BFH war nicht davon überzeugt, dass der Gesetzgeber im Zeitraum bis zum März 2011 von Verfassungs wegen (schon) dazu verpflichtet gewesen sei, die Höhe des gesetzlichen Zinses an das niedrige Marktzinsniveau für Geldanlagen anzupassen. Zum einen sei der gesetzliche Zinssatz nicht nur mit den am Markt erzielbaren Anlagezinsen zu vergleichen (Verwendung von Kapital), sondern auch mit den für die Inanspruchnahme von Darlehen zu zahlenden Zinsen (Finanzierung von Steuernachzahlungen). Zum andern hätte sich erst nach dem Zeitraum, der im Streitfall zur Beurteilung stand, die Zinsen dauerhaft auf niedrigem Niveau stabilisiert. Deshalb bedurfte es noch keiner Entscheidung des BFH, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Folgezeit so einschneidend geändert haben, dass die Grundlage der gesetzgeberischen Entscheidung durch neue, im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht abzusehende Entwicklungen entscheidend in Frage gestellt worden sind.

 

Quelle

BFH, Urteil v. 1.7.2014 - IX R 31/13; veröffentlicht am 24.9.2014
NWB Datenbank

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