Zweifelsfragen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten (SenFin Berlin)

Die Senatsverwaltung für Finanzen in Berlin hat in einem Frage- und Antwortkatalog die fiskalfreundliche Betrachtungsweise dargestellt, wobei es sich, was deutlich betont werden muss, um die Aufassung der Finanzverwaltung handelt:

Zweifelsfragen zur Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG (anschaffungsnahe Herstellungskosten)

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen (netto) ohne Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen.

Zum Anwendungsbereich der Vorschrift sowie zur Abgrenzung von der Verwaltungsanweisung gemäß BMF-Schreiben vom 18.07.2003 (BStBl 2003 I S. 386; EStG -Kartei § 21 Fach 4 Nr. 3) sind folgende Auffassungen zu vertreten:

1. Sollen Aufwendungen, die zur Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit führen und für sich Anschaffungskosten sind, in die Prüfung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG einbezogen werden?

§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG schließt nur Aufwendungen für Erweiterungen i. S. des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sowie Aufwendungen für jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten von den zu berücksichtigenden Herstellungskosten aus. Aufwendungen für die Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit oder zur Hebung des Standards sind hiervon nicht berührt und daher in die Prüfung der 15 %-Grenze einzubeziehen.

2. Können die in die Prüfung einbezogenen Aufwendungen auch im Fall des Unterschreitens der 15 %-Grenze Anschaffungs- oder Herstellungskosten darstellen?

Aufwendungen, die innerhalb des Dreijahreszeitraums getätigt werden und nach den Kriterien des BMF-Schreibens vom 18.07.2003 (a .a. O.) Anschaffungs- oder Herstellungskosten darstellen, in ihrer Summe aber die 15 %-Grenze nicht überschreiten, sind Anschaffungs- oder Herstellungskosten i. S. v. § 255 HGB .

Ausnahme:

Eine Hebung des Standards ist bei Unterschreiten der 15 %-Grenze in den ersten drei Jahren nach Anschaffung nicht zu prüfen; es sei denn, es handelt sich um den Beginn einer Sanierung in Raten oder im Falle eines Erwerbs eines Gebäudes mit mehreren Wohnungen hebt sich der Standard für einzelne Wohnungen (vgl. Rz. 38 des BMF-Schreibens vom 18.07.2003, a. a. O.).

3. Wie ist die Sanierung in Raten zur Hebung des Standards zu behandeln, die erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums zu Herstellungskosten i. S. der BFH-Rechtsprechung/des BMF-Schreibens führt?

Aufwendungen für Baumaßnahmen, die innerhalb des Dreijahreszeitraums des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG durchgeführt werden, jedoch die 15 %-Grenze nicht überschreiten, sind auch dann als Herstellungskosten i. S. v. § 255 Abs. 2 S. 1 HGB zu behandeln, wenn die endgültigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Sanierung in Raten (vgl. Rz. 31 des BMF-Schreibens vom 18.07.2003, a. a. O.) erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums festgestellt werden können.

4. Zeitliche Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Wie behandelt man den Fall, in dem für eine im Jahr 2002 angeschaffte Immobilie in 2004 Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die für sich allein nicht die 15 %-Grenze überschreiten, jedoch zusammen mit den bereits in 2003 vorgenommenen Modernisierungsarbeiten die 15 %-Grenze übersteigen?

Die Modernisierungsmaßnahmen sind nicht als Herstellungsaufwand nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu beurteilen, weil die Vorschrift gemäß § 52 Abs. 16 S. 7 EStG erst auf Baumaßnahmen anzuwenden ist, mit denen nach dem 31.12.2003 begonnen wurde und sämtlich Baumaßnahmen nach § 52 Abs. 16 S. 9 EStG als einheitliche Baumaßnahme anzusehen sind. Im geschilderten Fall wurde mit den Baumaßnahmen in 2003 begonnen, so dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG noch keine Anwendung findet.

Die Prüfung der Aufwendungen nach den Kriterien des BMF-Schreibens vom 18.07.2003 (a. a. O.) bleibt hiervon unberührt.

5. Ist die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auf das Gebäude insgesamt oder aber auf die einzelnen Gebäudeteile i. S. d. R 4.2 Abs. 4 EStR zu beziehen?

Mit Urteil vom 30.07.1991 (IX R 59/89 , BStBl 1992 II S. 940) hat der BFH zur R 157 Abs. 4 EStR 2002 entschieden, dass für die Frage der Höhe des anschaffungsnahen Aufwands auf das Gebäude insgesamt abzustellen ist, da beim Erwerb des bebauten Grundstücks ein einheitliches Wirtschaftsgut vorliegt.

Mit der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG wurde an die alte Verwaltungsregelung des R 157 Abs. 4 EStR angeknüpft. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass die bewährte Verwaltungspraxis trotz der geänderten Rechtsprechung zum Anschaffungs- und Herstellungskostenbegriff gemäß § 255 HGB fortgesetzt werden kann. Da der Wortlaut der Neuregelung ausdrücklich von dem „Gebäude” als Bezugsgröße spricht und damit in die gleiche Richtung geht wie die BFH-Rechtsprechung, ist das Urteil weiter anzuwenden.

Bei dem Erwerb von mehreren Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) in einem Gebäude ist hingegen – unabhängig vom Nutzungs- und Funktionszusammenhang – bereits zivilrechtlich stets von unterschiedlichen Wirtschaftsgütern auszugehen. Das BFH-Urteil vom 30.07.1991 ist auf diese Fälle nicht anwendbar.

Beispiel 1: Es wird nur die vermietete bzw. zu vermietende Wohnung eines erworbenen Mehrfamilienhauses anschaffungsnah renoviert. Die beiden anderen Wohnungen werden vom Eigentümer selbst oder von seinen Angehörigen unentgeltlich zu Wohnzwecken genutzt. Bei Abstellung der Prüfung auf das Gesamtgebäude wird die 15 %-Grenze unterschritten, bei Vergleich nur mit dem anteiligen Kaufpreis der vermieteten Wohnung dagegen überschritten.

Lösung: Die Prüfung des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands ist gebäudebezogen vorzunehmen, d. h. durch das Unterschreiten der 15 %-Grenze liegen hier die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht vor.

Maßgebend ist, dass die Spezialvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Bezugsgröße für die Prüfung des anschaffungsnahen Aufwands auf die Anschaffungskosten des einheitlichen Wirtschaftsguts Gebäude abstellt. Die Vorschrift schließt sowohl die in R 4.2 Abs. 4 EStR zu § 4 EStG als auch in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG geregelte wirtschaftsguts-/wohnungsbezogene Einzelbewertung beim Gesamterwerb eines Gebäudes aus.

Beispiel 2: Wie Beispiel 1, aber es wird nicht das Gesamtgebäude, sondern es werden die als Sondereigentum aufgeteilten drei Wohnungen (Eigentumswohnungen) erworben.

Lösung: Da es sich um den Erwerb von Sondereigentum handelt, liegen drei selbständige wirtschaftliche Einheiten vor. Da jede Eigentumswohnung aufgrund der Besonderheiten des Wohneigentumsrechts zivilrechtlich ein Gebäude darstellt und auch das EStG den Erwerb einer Eigentumswohnung mit dem Erwerb eines Gebäudes gleichstellt (vgl. § 7 Abs. 5a, § 7h Abs. 3 sowie § 7i Abs. 3 EStG ), ist die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG jeweils auf die einzelne Wohnung anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass bei der vermieteten Wohnung anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorliegen.

6. Ist für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG hinsichtlich der Durchführung der Maßnahmen innerhalb der Dreijahresfrist der Beginn, der einzelne Bauabschnitt oder der Abschluss der Baumaßnahme entscheidungserheblich?

Es sind sämtliche Baumaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG in den Dreijahreszeitraum einzubeziehen, die innerhalb dieses Zeitraums ausgeführt wurden. Die Baumaßnahmen müssen zum Ende des Dreijahreszeitraumes weder abgeschlossen, abgerechnet noch bezahlt werden.

Mit dieser – am Wortlaut der Vorschrift ausgerichteten Rechtsauffassung – wird verhindert, dass die gesetzliche Norm des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG mittels ungerechtfertigter Gestaltungen (z. B. Hinauszögern des Abschlusses von Baumaßnahmen, verspätete Abnahme der Werkleistung, verspätete Bezahlung) umgangen werden kann.

Wird eine vor Ablauf der Dreijahresfrist begonnene Baumaßnahme erst nach Ablauf der Dreijahresfrist beendet und überschreiten die bis zum Ablauf des Dreijahreszeitraumes bereits durchgeführten Leistungen die 15 %-Grenze, so ist insoweit anschaffungsnaher Herstellungsaufwand gegeben. Die nach Beendigung der Dreijahresfrist noch getätigten Leistungen dieser Baumaßnahme werden nicht in die Ermittlung der 15 %-Grenze einbezogen und unterliegen auch nicht der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG . Es ist aber zu prüfen, ob diese Maßnahme zu Herstellungskosten i. S. d. BMF-Schreibens vom 18.07.2003 (a. a. O.) führt.

7. Wie sind jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten zu behandeln, wenn sie im Rahmen einheitlich zu würdigender Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG anfallen?

Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Gebäudes sind – unabhängig davon, ob sie auf jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsarbeiten i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG beruhen – nicht als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar, wenn sie im Rahmen einheitlich zu würdigender Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG anfallen (vgl. H 6.4 „Anschaffungsnahe Herstellungskosten” der ESt-Hinweise bzw. BFH-Urteil vom 25.08.2009, IX R 20/08 – BStBl 2010 II S. 125).

Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn die Arbeiten in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden (z. B. Modernisierung eines Hauses im Ganzen und von Grund auf).

Ein sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Baumaßnahmen bautechnisch ineinander greifen. Dies ist insbesondere gegeben, wenn Erhaltungsarbeiten

  • Vorbedingung für die Schaffung eines betriebsbereiten Zustands oder für die Herstellungsarbeiten sind

oder

  • durch Maßnahmen, welche den betriebsbereiten Zustand schaffen, oder durch Herstellungsarbeiten veranlasst/verursacht worden sind.

8. Schönheitsreparaturen

  1. Welche Maßnahmen fallen unter den Begriff „Schönheitsreparaturen”?
  2. Wie sind diese Aufwendungen im Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu beurteilen?
  3. Schönheitsreparaturen, die nicht zu den Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zählen (vgl. § 28 Abs. 4 Satz 1 der Zweiten Berechnungsverordnung – II. BVO), beseitigen Mängel, die durch vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind.

Darunter fallen nur das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizungsrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen (vgl. § 28 Abs. 4 Satz 3 II. BV O; BFH vom 25.08.2009 , a. a. O.).

  1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG gehören u. a. Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen, nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten (Ausnahme: vgl. Nr. 7). In der Literatur ist umstritten, ob auch Schönheitsreparaturen in diesem Sinne jährlich üblicherweise anfallen.

Der BFH beantwortet diese Frage in seinem Urteil vom 25.08.2009 (a. a. O.) zwar nicht direkt. Er weist jedoch darauf hin, dass die Schönheitsreparaturen keine Instandsetzungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG darstellen. Demzufolge sind Schönheitsreparaturen grundsätzlich sofort abzugsfähig.

Fallen die Schönheitsreparaturen dagegen im Rahmen einer einheitlich zu würdigenden Baumaßnahme an (vgl. 7.), sind auch diese Kosten nach dem o. a. Urteil in die Berechnung der 15 %-Grenze einzubeziehen.

9. Wie ist der Drei-Jahres-Zeitraum bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft im Rahmen von Gesellschafter-Beitritten zu berechnen?

Als Beginn des Drei-Jahres-Zeitraums gilt grundsätzlich der Zeitpunkt der Anschaffung der Immobilie durch die Gesellschaft, nicht der spätere Beitritt eines neuen Gesellschafters, solange die Gesellschaftsidentität gewahrt bleibt. Für eine gesellschaftsbezogene Sicht spricht insoweit Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 31.08.1990 – BStBl 1990 I S. 366 (vgl. EStG -Kartei Berlin § 21 EStG Fach 5 Nr. 4 – sog. 4. Bauherren-Erlass). Danach ist bei einem geschlossenen Immobilienfonds, der in der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit seiner Gesellschafter den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt, auf der Ebene der Gesellschaft zu entscheiden, ob Aufwendungen, die die Gesellschaft trägt, Herstellungskosten, Anschaffungskosten oder Werbungskosten sind.

Der Umstand, dass der später beitretende Gesellschafter mit seinem Beitritt die ihm anteilig zuzurechnenden Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft „anschafft”, tritt in dieser Frage hinter den vorgenannten Gedanken zurück.

Vorstehendes gilt entsprechend bei Personengesellschaften mit Einkünften aus Gewerbebetrieb.

 

Quelle

Senatsverwaltung für Finanzen Berlin v. 20.11.2012 - III B – S 2211 – 2/2005 – 2

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