Vorsteuerabzug - Rückwirkende Berichtigung von Rechnungen
Nach dem EuGH-Urteil "Pannon Gep" ist umstritten, ob Rechnungen rückwirkend berichtigt werden können. Das FinMin Brandenburg sagt nein.
Der EuGH hatte in einem ungarischen Verfahren auch Bewegung in eine für Deutschland wichtige und bisher aus Sicht der Unternehmer unbefriedigend gelöste Frage gebracht: Kann eine Rechnungsberichtigung steuerlich auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurückwirken und somit eine Verzinsung eines zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs nach § 233a AO verhindern?
In dem Verfahren vor dem EuGH ging es vorrangig nicht um den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs, strittig war vielmehr die Ordnungsmäßigkeit von Rechnungen. Über eine ausgeführte Leistung wurde eine Rechnung mit einem falschen Leistungsdatum ausgestellt. Dieser falsche Leistungszeitpunkt wurde ein Jahr später durch „Gutschriften“ und neue Rechnungen korrigiert, die aber unterschiedliche Nummernkreise aufwiesen. Die ungarische Finanzverwaltung verwehrte den Vorsteuerabzug aufgrund nicht ordnungsgemäßer Rechnungsangaben.
Hinweis
In Deutschland wären diese Mängel nicht streitbefangen gewesen, da für den Leistungszeitpunkt die Angabe des Monats ausreichend ist und auch klar ist, dass unterschiedliche Rechnungsnummernkreise gebildet werden können.
Nach deutschem Steuerrecht erfordert der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG eine Rechnung nach § 14 UStG, also eine richtige und vollständige, mit allen Inhalten des § 14 Abs. 4 UStG versehene Rechnung. Nach bisheriger Rechtsauffassung des BFH konnten Mängel in einer Rechnung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit durch eine berichtigte Rechnung beseitigt werden.
Der EuGH stellte fest, dass der Vorsteuerabzug zu gewähren ist und der ursprüngliche Vorsteuerabzug aus der falschen Ursprungsrechnung nicht verwehrt werden darf, wenn der Behörde vor Erlass einer ablehnenden Entscheidung eine den Vorschriften entsprechende berichtigte Rechnung vorgelegt worden ist.
Hinweis
Strittig in der Literatur und der Rechtsprechung ist die Übertragung dieser Entscheidung auf nationales Recht. Während teilweise in der Literatur (Wäger, DStR 2010, S. 1478; Martin, BFH/PR 2010, S. 389) eine rückwirkende Rechnungsberichtigung als möglich angesehen wird, haben Finanzgerichte bisher ablehnend auf Anträge auf rückwirkende Rechnungsberichtigung reagiert.
Das Finanzministerium Brandenburg hat jetzt – unter Bezugnahme auf den o.g. Beschluss des FG Berlin-Brandenburg - klar gestellt, dass derzeit Anträge auf rückwirkende Rechnungsberichtigung und einen damit rückwirkenden Vorsteuerabzug abzulehnen sind. Ebenfalls sind Anträge auf Aussetzung der Vollziehung im Zusammenhang mit Einspruchsverfahren nach wie vor abzulehnen.
Derzeit ist nicht geklärt, ob sich aus dem Urteil des EuGH eine Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung ableiten lässt. Zwar sprechen viele Gründe aus dem Urteil für eine solche Feststellung, leider hat der EuGH dies nicht mit der notwendigen Klarheit so festgelegt. Die damit schon befassten Finanzgerichte haben die Anwendung bisher abgelehnt. Aus diesem Grund hält sich die Finanzverwaltung momentan zurück.
Praxis-Tipp
Obwohl Anträge derzeit von der Finanzverwaltung zurückgewiesen werden, sollten man dennoch versuchen, Rechnungen rückwirkend zu berichtigen, sprich den Vorsteuerabzugs zum Zeitpunkt des Vorliegens der ersten – nicht vollständigen/nicht korrekten – Rechnung vorzunehmen. Insbesondere da sich in der Literatur auch Richter des 5. Senats des BFH (Dr. Wäger, Dr. Martin) positiv zur Rückwirkung geäußert haben, kann zumindest Hoffnung in die Rechtsprechung des BFH gesetzt werden.
Quelle
EuGH, Urteil vom 15.07.2010, C-368/09
BFH, Urteil vom 24.08.2006, V R 16/05, BStBl 2007 II S. 340
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.09.2010, 6 K 2089/10
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 22.2.2011, 5 V 5004/11
Finanzministerium Brandenburg (v. 9.3.2011, 31 – S 7300 – 3/10)
StB Prof. Rolf-R. Radeisen in Haufe Online-Redaktion