Bei Betriebsübergang keine Haftung für zuvor entstandene Sozialversicherungsbeiträge

Nach einem überraschenden Urteil haftet bei einem Betriebsübergang der neue Inhaber nicht für Sozialversicherungsbeitragsverpflichtungen seines Vorgängers.

Das bayerische Landessozialgericht (LSG) schafft Klarheit bezüglich der beitragsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs. Mit dem kürzlich ergangenen Urteil kommen die Richter zu dem Ergebnis, dass bei einem Betriebsübergang grundsätzlich der neue Betriebsinhaber nicht für Beitragsschulden des Verkäufers in Anspruch genommen werden kann. Dieses Urteil ist unanfechtbar, also rechtskräftig.

Problem: Betriebsübergang fiel in den Zeitraum der Beitragsnachforderung

In der beim LSG entschiedenen Streitsache wurde eine Firma (GmbH & Co. KG) unter Fortführung des Unternehmens einschließlich der Übernahme der Beschäftigten verpachtet. Sie wurde nun als GmbH im Handelsregister eingetragen. Nach einer Betriebsprüfung wurden von der Deutschen Rentenversicherung Beitragsnachforderungen in Höhe von rd. 1,7 Mio. EUR für einen mehrjährigen Zeitraum geltend gemacht. Der betreffende Nachzahlungszeitraum lag anteilig vor als auch nach dem Betriebsübergang. Als derzeitiger Betriebsinhaber wehrte sich die GmbH gegen diese Beitragsforderung, soweit sie Mitarbeiter der vorherigen KG betrifft. Für die Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge sei sie nicht in Haftung zu nehmen, soweit die Beiträge auf den Zeitraum bis zum erfolgten Betriebsübergang entfielen.

Gesetzliche Grundlage zur Inanspruchnahme des Nachfolgers fehlt

Bayerns höchste Sozialrichter folgten dieser Argumentation. Zwar gehen bei einem Betriebsübergang die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Betriebserwerber über (§ 613a BGB). Diese Regelung ist jedoch nicht auf die Beitragspflichten nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) übertragbar, da das BGB hier dem Sonderprivatrecht der Arbeitsverhältnisse zuzuordnen ist. Die rückständigen Beiträge sind auch hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile keine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem lfd. Arbeitsverhältnis. Es fehlt grundsätzlich an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, den neuen Inhaber des Betriebs für die öffentlich-rechtlich begründeten Beitragsforderungen aus der Zeit vor dem Betriebsübergang in Anspruch zu nehmen.

Weder aus § 25 HGB noch aus europäischem Recht kann eine Haftung des Nachfolgers abgeleitet werden. Zwar sieht die Abgabenordnung (§ 75) eine Haftung für die Steuerschulden vor, auch dies ist aber nicht auf die Forderungen nach dem SGB übertragbar.

Künftig mehr zeitnahe Betriebsprüfungen bei Betriebsübergängen?

Den Sozialversicherungsträgern entsteht durch das Urteil ein Problem. Ihnen bleibt nur die Option, die ausstehenden Beiträge möglichst zeitnah noch von dem vorherigen Inhaber einzufordern. Ob und in welcher Höhe sich diese noch realisieren lassen, ist fraglich. Zumindest wird das mit zunehmendem zeitlichem Abstand zum Betriebsübergang immer schwieriger. Es ist daher gut denkbar, dass sich die für die Betriebsprüfung zuständige Deutsche Rentenversicherung durch diese Rechtslage veranlasst sieht, künftig bei Betriebsübergängen häufiger eine möglichst zeitnahe Betriebsprüfung durchzuführen. Dies dürfte nicht nur der Sicherheit auch der beteiligten Käufer/Verkäufer dienen, sondern auch den Interessen der anderen Versicherungsträger (Krankenkassen, Bundesagentur für Arbeit) entsprechen. Sehr gut denkbar ist es auch, dass demnächst eine Rechtsänderung für das Sozialgesetzbuch (SGB) herbeigeführt wird. Denn es ist kaum noch nachvollziehbar, dass für das Arbeits- und Steuerrecht eindeutige Bestimmungen geschaffen wurden, dies für die Beiträge zur Sozialversicherung aber offensichtlich versäumt wurde.

 

Quelle

Bayerisches LSG, Urteil vom 28.1.2011 - L 5 R 848/10 B ER Haufe Online-Redaktion

Möchten Sie regelmäßig über neue Artikel informiert werden? Dann registrieren Sie sich für unseren Newsletter.

Newsletter abonnieren

Diese Internetseite verwendet Cookies, um die Nutzererfahrung zu verbessern und den Benutzern bestimmte Dienste und Funktionen bereitzustellen.
Mehr Informationen finden sie unter Datenschutz. Ich stimme zu