Risiken beim Abzug von Vorsteuern
Umsatzsteuer-Prüfungen enden in den letzten Jahren teils mit sehr erheblichen Vorsteuer-Rückforderungen. Die Finanzverwaltung hat die Umsatzsteuer als leichte Einnahmequelle entdeckt. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung sind enorm gestiegen und damit auch die Risiken.
1. Kleinbetragsrechnungen
Unternehmern ist bekannt, dass Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von maximal 150 EUR als Kleinbetragsrechnungen weniger strengen Anforderungen unterliegen. Dennoch wird in der Praxis auf die Einhaltung dieser Grenze bzw. auf eine gesonderte Rechnungsstellung bei Überschreiten des Betrags nicht ausreichend sorgfältig geachtet.
Überschritten wird die Kleinbetragsgrenze nicht selten bei Bar-Umsätzen, insbesondere im Handel mit Lebensmitteln, Papierwaren, Zeitungen, Zeitschriften etc.
Unternehmer sollten deshalb fortlaufend darauf achten, dass bei Überschreiten der Kleinbetragsgrenze vom Leistenden eine ordnungsgemäße Rechnung einzufordern ist. Diese muss grundsätzlich sämtliche Anforderungen des § 14 UStG erfüllen.
2. fortlaufende Rechnungsnummer
Auf Eingangsrechnungen muss eine fortlaufende Rechnungsnummer vermerkt sein.
3. Rechnungen von Subunternehmern und freien Mitarbeitern
Wer auf die ständige Mithilfe von Subunternehmern bzw. nicht angestellten Personen angewiesen ist, unterliegt einem besonderen Risiko. Es gibt Kleinunternehmer, die die Umsatzsteuer gar nicht gesondert ausweisen dürfen. Aufgrund einer (nachträglich) besseren Erkenntnis der Finanzbehörden, z. B. durch Kontrollmitteilungen, wird in solchen Fällen der Vorsteuerabzug häufig nachträglich versagt.
Dem Auftraggeber bleibt in der Praxis letztlich wohl nur die Möglichkeit, sich aufgrund der Gewerbeanmeldung von der Unternehmereigenschaft seines Auftragnehmers zu überzeugen, auch wenn daraus die Kleinunternehmereigenschaft gar nicht zu erkennen ist. Bestätigungen der Unternehmereigenschaft werden vom Finanzamt für solche Fälle in der Praxis kaum noch ausgestellt (OFD Karlsruhe, Verfügung v. 25.8.2004, S 7340, DB 2004 S. 2131). Eine schriftliche Versicherung des Auftragnehmers führt im Ernstfall ebenfalls nicht dazu, dass die Finanzverwaltung von einer Vorsteuerkürzung absieht.
In seinem Urteil v. 18.10.2005 (II 364/2004, DStRE 2006 S. 682) hat das FG Nürnberg nochmals ausdrücklich bestätigt, dass die in Rechnungen eines Kleinunternehmers gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Mit dem Steuerausweis in einer Rechnung verzichtet der Kleinunternehmer nicht gegenüber dem Finanzamt schlüssig auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. Der Auftraggeber des Kleinunternehmers kann sich in diesen Fällen auch nicht auf einen Gutglaubenschutz berufen, wenn er von seinem Auftragnehmer über dessen Regel-Unternehmereigenschaft getäuscht worden ist.
4. Online-Rechnungen
Werden Rechnungen elektronisch übermittelt, ist ein Vorsteuerabzug daraus nur möglich, wenn sie eine «elektronische Signatur» enthalten (vgl. § 14 Abs. 3 UStG). Rechnungen per E-Mail und bestimmte Fax-Rechnungen gelten ebenfalls als auf elektronischem Weg übermittelt (Abschn. 184a Abs. 5 UStR).
Noch immer werden solche Rechnungen oftmals «einfach» ausgedruckt und dienen sowohl als Buchhaltungsgrundlage als auch als Dokument, das zum Vorsteuerabzug berechtigen soll. Ohne elektronische Signatur ist der Vorsteuerabzug jedoch nicht möglich und wird von der Finanzverwaltung im Zweifel rückgängig gemacht.
Weil die elektronische Rechnung die Zustimmung des Empfängers voraussetzt, ist der Leistende bei fehlender Zustimmung im Ergebnis verpflichtet, eine Rechnung in Papierform auszustellen (und per Post zu übermitteln).
5. Thermopapier
Insbesondere Kleinbetragsrechnungen bzw. Quittungen, z. B. Kassenstreifen, werden oft auf Thermopapier gedruckt, das im Allgemeinen sehr schnell verblasst. Unternehmer sind jedoch verpflichtet, Rechnungen 10 Jahre lang aufzubewahren und über den gesamten Zeitraum lesbar zu halten (vgl. § 14b Abs. 1 UStG).
Es empfiehlt sich daher nach wie vor, grundsätzlich solche Belege zu kopieren, um den Vorsteuerabzug nicht zu gefährden.Die Finanzverwaltung fordert sogar ausdrücklich, dass Rechnungen auf Thermopapier durch einen «nochmaligen Kopiervorgang auf Papier zu konservieren» sind (Abschn. 190b Abs. 6 UStR).
6. c/o-Rechnungen
Das BMF vertritt eine restriktive Auffassung zum Vorsteuerabzugsrecht bei c/o-Rechnungen (BMF, Schreiben v. 28.3.2006, BStBl 2006 I S. 345). Danach ist grundsätzlich zu beachten, dass § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG die vollständige Angabe des Namens und der Anschrift des Leistungsempfängers zwingend vorsieht.
Die Anschrift eines empfangsbevollmächtigten Dritten, z. B. bei Auslagerung des Rechnungswesens, kann dabei nicht als betriebliche Anschrift des Leistungsempfängers gewertet werden, so lange Letzterer unter dieser Anschrift nicht zugleich eine eigene Zweigniederlassung oder Betriebsstätte unterhält. Der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ist daher im Ergebnis nur möglich, wenn auch seine vollständige Adresse in der Rechnung genannt ist.
Nach massiven Protesten der Wirtschaft hat die Finanzverwaltung ein wenig zurückgerudert, ohne dies offiziell so verstanden zu wissen (BMF, Schreiben v. 11.10.2006, DStR 2006 S. 2129; vgl. auch Abschn. 185 Abs. 3 UStR). Danach gilt: Name und Anschrift des Leistungsempfängers müssen sich aus den in die Rechnung aufgenommenen Angaben leicht und eindeutig feststellen lassen. Angaben, die umfangreiche Ermittlungstätigkeiten der Finanzbehörden erfordern, genügen dieser Vorgabe allerdings nicht.
Es ist allerdings nach Ansicht der Finanzverwaltung unter Verweis auf § 31 Abs. 3 UStDV zulässig, dass die Beteiligten für die Angaben des Leistungsempfängers Abkürzungen, Symbole, Buchstaben oder Zahlen verwenden, deren Bedeutung in der Rechnung oder in anderen Unterlagen eindeutig festgelegt ist. Die Angabe einer Steuernummer des Leistungsempfängers oder einer Auftragsnummer, ohne dass sich über diese Angaben und beim leistenden Unternehmer und beim Leistungsempfänger über vorzuhaltende Unterlagen der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Leistungsempfängers ergeben, genügt diesen Anforderungen allerdings nicht.
Lässt sich der Leistungsempfänger nach diesen Maßgaben nicht leicht und eindeutig feststellen, geht die Finanzverwaltung u. U. davon aus, dass über eine nicht erbrachte Leistung abgerechnet wurde und somit ein Fall des § 14c Abs. 2 EStG - «unberechtigter Steuerausweis» - vorliegt. Eine Rechnungskorrektur ist dann nur unter erschwerten Bedingungen möglich.
7. Ungenaue Leistungsbezeichnung
Obwohl die zutreffende Bezeichnung einer Leistung in der Rechnung eigentlich selbstverständlich sein sollte, wird diese Voraussetzung in der Praxis häufig nicht erfüllt bzw. von der Finanzverwaltung beanstandet. Dabei handelt es sich nicht selten um überzogene Gegenreaktionen wegen vermuteter Umsatzsteuer-Betrügereien.
So musste das Hessische FG (Beschluss v. 18.1.2006, 6 V 3026/05, EFG 2006 S. 775) in einem Aussetzungsverfahren darüber entscheiden, ob der Vorsteuerabzug aus Rechnungen für Computerbauteile versagt werden kann, wenn die «handelsübliche Angabe» der individuellen Geräte- oder Garantiesiegelnummer fehlt. Das FG hielt die Rechtmäßigkeit einer solchen Kürzung erfreulicherweise für zweifelhaft.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Finanzamts hielt der BFH für unbegründet (BFH, Beschluss v. 6.4.2006, V B 22/06, BFH/NV 2006 S. 1715), dennoch ist die fehlende Angabe von Gerätenummern in der Praxis teilweise höchst problematisch (BFH, Urteil v. 19.4.2007, V R 48/04, BFH/NV 2007 S. 2035). Im Urteilsfall, der dem sog. Rolex-Urteil zu Grunde lag (FG München, Urteil v. 24.4.2002, 14 K 4520/97, EFG 2002 S. 1334), wurde der Vorsteuerabzug versagt, weil weder die Lieferscheine und die Rechnungen noch die sonstigen Aufzeichnungen zu den (angeblich gelieferten) Uhren nähere Angaben über Hersteller, Typ, Produkt- oder Gehäusenummer enthielten.
Nach Ansicht des FG Nürnberg (Urteil v. 18.10.2005, II 364/2004, DStRE 2006 S. 682) ist der Vorsteuerabzug aus der Rechnung eines Subunternehmers nicht möglich, wenn dieser seine Leistungen wie folgt bezeichnet:
«Arbeitstage» oder «Tage» × ... EUR oder
«Sonderfahrten» zu je ... EUR
Hierbei sei nicht einmal ansatzweise erkennbar, an welchen konkreten Tagen die Leistungen erbracht wurden und welcher Art die Leistungen gewesen sind. Insbesondere in Rechnungen über freie Mitarbeit wird nicht selten lediglich ein Stunden- bzw. Tagessatz abgerechnet, ohne die Leistung als solche näher auszuführen. Zumindest sollte in der Rechnung ein Hinweis auf die zu Grunde liegenden Vertragsgestaltungen erfolgen.
8. Zeitpunkt der Leistung
Nach dem BFH-Urteil vom 17.12.2008 ist in einer Rechnung der Zeitpunkt der Lieferung außer in den Fällen des § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG 2005 auch dann zwingend anzugeben, wenn er mit dem Ausstellungsdatum der Rechung identisch ist.
Bei der Angabe des Datums reicht es aber aus, wenn der Monat und das Jahr angegeben wird (z.B. Rechnungsdatum 04.03.2009 / Liefermonat 03/09).
9. (Unklare) Unternehmereigenschaft
Der Vorsteuerabzug kann nur von «dem Unternehmer» geltend gemacht werden. Dies wird insbesondere in der frühen Planungsphase von Immobilienprojekten den Beteiligten oftmals zum Verhängnis.
Haben sich z. B. mehrere Personen (Gesellschafter) über die Verwirklichung eines Projekts grundsätzlich verständigt, aber noch offen gelassen, wer das Objekt errichtet, z. B. Personengesellschaft, einzelne Gesellschafter, beanstandet die Finanzverwaltung im Nachhinein nicht selten die Rechnungsadressierung.
Der Vorsteuerabzug wird insbesondere dann nicht ohne Weiteres anerkannt, wenn der Rechnungsadressat später nicht einwandfrei mit dem ausführenden Unternehmer übereinstimmt.
10. Ehegatten-Rechnungen
Auch und gerade bei Rechnungen an Ehegatten stellt sich die Frage der Unternehmereigenschaft. Vorsteuerrisiken treten in der Praxis immer wieder auf, wenn ein Grundstück beiden Ehegatten gehört, und nur der unternehmerisch tätige Ehegatte darauf ein Gebäude errichtet. Problematisch sind darüber hinaus Fälle, in denen das Grundstück im Eigentum eines Ehegatten steht und der andere sich darauf unternehmerisch betätigen möchte.
In zahlreichen Baurechnungen wird dabei nicht exakt nach der Unternehmereigenschaft bzw. der Person des Bestellers der Leistung unterschieden. Rechnungen lauten oftmals auf den Namen nur eines Ehegatten (des Falschen) oder sind an beide Ehegatten gerichtet, unabhängig davon, wer die Leistungen beauftragt hat bzw. wer von beiden die Unternehmereigenschaft erfüllt.
Ist z. B. die Ehegattengemeinschaft der Unternehmer, muss grundsätzlich auch die Rechnung auf ihren Namen lauten, z. B. Eheleute Heinz und Berta Mustermann oder Eheleute Mustermann GbR. Umgekehrt dürfen Rechnungen nicht auf die Ehegattengemeinschaft ausgestellt sein, wenn nur ein Ehegatte das Unternehmen betreibt. In vergleichbaren Fällen sollten die Eingangsrechnungen sofort nach Erhalt überprüft und ggf. dem Rechnungsaussteller unverzüglich zur Reklamation zugeleitet werden.
Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 1.12.2006 (BMF, Schreiben v. 1.12.2006, DStR 2006 S. 2259; vgl. Abschn. 192 Abs. 16 UStR) ausführlich zur EuGH- und BFH-Rechtsprechung bezüglich der Auftragserteilung durch mehrere Personen bzw. Ehegattengemeinschaften Stellung bezogen. Danach ist es u. U. möglich, dass auch der Unternehmer-Ehegatte zumindest einen anteiligen Vorsteuerabzug aus Rechnungen geltend machen kann, die auf die «Gemeinschaft» lauten.
Je nach Fallgestaltung ist aus umsatzsteuerlicher Sicht zwar von Leistungen an die Gemeinschaft auszugehen, lediglich für Zwecke des Vorsteuerabzugs ist dann aber ggf. jeder unternehmerisch tätige Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen. Die Grundsätze dieses Schreibens gelten in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen und sind daher insbesondere für noch laufende bzw. noch bevorstehende Betriebsprüfungen von besonderer Bedeutung.
Gehört ein Grundstück den Ehegatten gemeinsam, wird es in sehr vielen Fällen weiterhin Sinn machen, dass die Ehegattengemeinschaft die Bauaufträge vergibt und nach Fertigstellung zusammen als (Vermietungs-)Unternehmer das Gebäude umsatzsteuerpflichtig an den jeweiligen Unternehmerehegatten vermietet.